im dritten Wiener Gemeindebezirk stehe ich vor dem Hundertwasserhaus. Unverkennbar hat der Künstler das wohl berühmteste Mietshaus Wiens geprägt: Ich komme über die runden Formen und Linien ins Stauen. Kein Fenster gleicht dem anderen. Verschiedene Bögen und Säulen gestalten die Fassade lebendig und kleine Türmchen lenken den Blick nach oben: große Architektur.
Sicher haben seine Erfahrungen in der NS-Diktatur zu dieser großen Kritik an allen totalitären und einengenden Formen geführt. Es durchzieht sein ganzes Schaffen als Künstler. Um diese Freiheit auch in seinem Mietshaus zu garantieren hat Hundertwasser von der Stadt Wien für dieses Haus das von ihm verfasste Fensterrecht verlangt. Er beschriebt es so: „Ein Bewohner muss das Recht haben, sich aus dem Fenster zu lehnen und außen an der Außenwand alles umzugestalten, soweit sein Arm reicht, damit man von Weitem sehen kann: Dort wohnt ein Mensch.“ Friedensreich Hundertwasser liebte die Freiheit so sehr, dass Menschen sogar seine Architektur verändern dürfen. Das Fensterrecht will die Würde des Menschen garantieren. Das ist ja auch das große Ziel der Menschenrechte. Auch unser Grundgesetzt, dessen 75. Geburtstag wir im Mai gefeiert haben, dient diesem Ziel. Und jede Bildungsveranstaltung in der Domschule will einen Beitrag zur Würde des Menschen sein. Denn die Menschenwürde ist unantastbar. Manchmal beginnt das mit der Einsicht: hier wohnt ein Mensch.