„Aus den Augen, aus dem Sinn“ – dieses Sprichwort fällt mir ein, als ich das Zwischenlager Grafenrheinfeld verlasse. Mit dem gesamten Team der Akademie Domschule habe ich die genossene Gelegenheit, diesen prekären Ort neben den beiden stillgelegten Kühltürmen zu besichtigen, die auf so markante Weise die Landschaft südlich von Schweinfurt prägen. Wir wollen dort eine AndersOrt-Veranstaltung vorbereiten und freuen uns darüber, dass die Leitung dieses Zwischenlagers bereitwillig die Türen öffnet und uns gastfreundlich an dem Ort empfängt, an dem hochradioaktiver Abfall aus dem Kernkraftwerk nebenan für viele Jahre zwischengelagert wird.
Das ist keine Selbstverständlichkeit. Denn wir treffen auf Sicherheitsvorkehrungen, die niemand von uns zuvor erlebt hat. Sie hinterlassen mächtigen Eindruck in unserer Gruppe. Und sie entsprechen dem Gefühl von Gefährdung, das einen beschleicht, wenn man diesen Ort betritt. Aber sie stehen im krassen Gegensatz zu dem, was dort passiert – nämlich nichts. Man kann selbst die Gefahr, die von diesem Ort ausgeht, weder sehen, riechen oder sonstwie spüren.
Wir wollen wissen, was das Thema ist, dem die Menschen nicht ausweichen können, die an diesem Ort arbeiten. Das Thema „Sicherheit“ ist es nicht – zu unserer Überraschung. Es ist vielmehr die gesamtgesellschaftliche Verantwortung für hochgefährlichen Abfall, die hier an einige wenige Menschen delegiert wird – und die Versuchung, die eigene Verantwortung dafür zu vergessen, sobald sich andere professionell darum kümmern. „Die Castoren, in denen die Brennstäbe zwischengelagert werden, gehören uns allen.“
"Aus den Augen, aus dem Sinn". Dass der Mensch dazu neigt, ist eine zutreffende Beobachtung. Dass es aber nicht in Frage kommt, die mit dem radioaktiven Müll einhergehende Verantwortung von uns allen einfach loszuwerden, daran werden wir an einem Ort wie Grafenrheinfeld erinnert.
Das gilt auch für viele andere Aufgaben der Gesellschaft, meint