ich kann das genießen wie sonst kaum etwas auf der Welt: Eines der Bücher aus dem weihnachtlichen Geschenkestapel ziehen und ab damit aufs Sofa vor dem Christbaum: Reinblättern, mit dem Schmökern beginnen, sich fest lesen – und dabei noch ein paar Plätzchen naschen. Keiner will mehr etwas von mir.
„Zwischen den Jahren“ wird diese eigenartige Zeit zwischen Weihnachten und Silvester genannt. Es ist kein Zeitraum, sondern eher ein Gefühl, für viele eine Oase im beruflichen Dauerstress: Die To do-Listen links liegen lassen, sich erlauben, einmal nichts zu tun und den Tag vertrödeln – noch dazu ohne schlechtes Gewissen. Denn für die meisten Menschen hierzulande steht dann das Hamsterrad des Lebens still. Eine menschenfreundliche Zeit!
Nach alten Überlieferungen heißen diese Tage zwischen den Jahren Rauhnächte. Die Germanen glaubten, dass dann Wotan, der Donnergott, mit wildem Gefolge über den Himmel poltert. In dieser Zeit sollen die Geister mächtig sein und Dämonen Haus und Hof heimsuchen. Man wappnete sich dagegen, indem man das Haus reinigte, den Stall ausräucherte und ansonsten die warme Stube nicht verließ.
Gegen diesen sanften Horror setzen die Kirchen das Weihnachtsfest: In einem hilfsbedürftigen Säugling ist die Menschenfreundlichkeit Gottes erschienen, geboren in einem Stall zwischen Tieren, weil die schwangere Mutter auf dem Weg zu einer Volkszählung keine Unterkunft findet, und kurz darauf schon auf der Flucht ins ägyptische Ausland, wo der Retter der Welt sich einreiht unter die Geflüchteten. So kommt Gott an in der Welt. Er streift sie nicht wie ein Komet, der für Aufregung sorgt, bevor er wieder verschwindet, er sucht sie nicht heim wie ein böser Geist oder eine irrlichternde Seele, sondern er ist leibhaftig da in der Welt. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf ihn selbst: Offenkundig will er nicht ohne die Menschen Gott sein. Er ist kein einsamer Monarch im Himmel, sondern ein durch und durch menschlicher Gott, nicht über, sondern unter den Menschen.
Und vielleicht freut er sich, wenn Menschen zwischen den Jahren tun, was ihnen gut zu Gesicht steht: Menschlich werden.
Das Team der Domschule wünscht Ihnen gesegnete Feiertage und eine gute Zeit „zwischen den Jahren“!